Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Wo sind die Influencer?

Wuppertal · Och nö, schon wieder ein Städteranking, bei dem Wuppertal ganz weit hinten liegt. Genau genommen auf Platz 27 der 30 größten deutschen Städte. Es geht um den Anteil von Social-Media-Influencern an der Gesamtbevölkerung.

Roderich Trapp.

Roderich Trapp.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Max Höllwarth

Und da bringt es Wuppertal pro 1.000 Einwohner nur auf eine Quote von 4,18 Influencern mit mindestens vierstelliger Follower-Zahl. Spitzenreiter Essen kommt dagegen auf 31,13. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Analyse der Agentur „Netzschreier“, die solche Influencer dabei unterstützt, für Geld von Wimperntusche, veganer Wurst und schlecht sitzenden Jogginghosen begeistert zu sein.

Deshalb überlege ich noch, ob es in diesem Fall nicht ausnahmsweise sehr erfreulich ist, dass Wuppertal in der Tabelle so weit hinten liegt. Offensichtlich verlassen sich bei uns nicht so viele junge Menschen wie anderswo darauf, ihre Familie lebenslang ernähren zu können, indem sie ihre Katze auf TikTok Kopfstand machen lassen oder sich in Instagram-Reels von tibetanischen Mönchen gesegnete angstfreie Naturkosmetik auf den Balg schmieren, deren Restbestände sie dann gratis behalten dürfen. Diese „Content Creator“ genannte Tätigkeit ist heute der Traumberuf aller Teenager, die in früheren Generationen Feuerwehrmann werden oder irgendwas mit Medien machen wollten.

Nun stellt sich aber die Frage, ob der in Wuppertal herrschende Mangel an Content Creatoren tatsächlich der besonderen Vernunft des digitalen Berufsnachwuchses zu verdanken ist, oder ob die örtlichen Influencer möglicherweise nicht kreativ genug sind, um Follower zu generieren. Oder noch schlimmer: Ist Wuppertal als Homebase für Creatoren-Kreaturen möglicherweise nicht inspirierend genug, um Menschenmassen zu begeistern? Diese Erklärung scheidet zum Glück aus, weil ja ausgerechnet Essen die meisten Influencer hat, obwohl es da in weiten Teilen auch aussieht, als hätte man Wuppertals pelzigste Ecken zusammen mit mehreren Ein-Euro-Shops in einen Umzugswagen gepackt und an die Ruhr exportiert.

Vielleicht – und das wäre noch eine ganz andere Möglichkeit – stimmt die Statistik aber auch gar nicht. Dass man da etwas vorsichtig sein muss, hat mir schon vorigen Sommer eine andere Hitliste gezeigt, bei der das Online-Portal savoo.de die besten Städte in Deutschland für einen günstigen Kurz- oder Tagestrip ermittelt hat. Dabei wurde als ein Kriterium auch die Anzahl der Hashtags für die jeweilige Stadt auf Instagram mit einbezogen, weil man daran erkennen könne, ob sich ein Ziel besonders gut für Schnappschüsse eigne und entsprechend attraktiv sei. Ähnlich wie bei den Influencern rangiert Essen auch in dieser Kategorie meilenweit vor Wuppertal: Auf Instagram sind nämlich 8,4 Millionen Posts mit #Essen gekennzeichnet, aber nur 1,3 Millionen mit #Wuppertal.

Angesichts dieser deprimierenden Zahlen gibt es nur zwei Optionen: Entweder man macht als Wuppertaler künftig immer einen großen Bogen um Essen herum, weil man sich so schämt. Oder man sieht sich die Posts mal näher an. Dann stellt man nämlich fest, dass sich vier Fünftel der mit dem #Essen markierten Beiträge gar nicht auf die Stadt Essen, sondern auf Essen zum Essen beziehen.

Wenn man so zählt, hätte alleine die mit eher mäßigem Liebreiz ausgestattete Straße am Haken im Uellendahl (#Haken) 1,5 Millionen Insta-Markierungen und damit mehr als Wuppertal. Es könnte also durchaus auch sein, dass die sagenhaft kreativen Essener Influencer in Wirklichkeit Rinderrouladen-Rollanleitungen, Tofu-Auflauf-Rezepte oder Brezelback-Tutorials sind.

Der alte Satz „Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“, ist also so aktuell wie noch nie. Wenn Sie nächstes Mal ihre besonders gelungene Herrentorte oder eine Bergische Kaffeetafel auf Instagram posten, wäre es trotzdem nett, wenn Sie die nur mit #lecker und nicht auch noch mit #Essen markieren. Wir müssen die Sache ja nicht selbst noch schlimmer machen ...

Bis die Tage!

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